Glauben heißt nix wissen
Wir wissen heute mehr als jemals in der Geschichte der Menschheit. Wir wissen aber auch, was wir nicht wissen können: Dass es jenseits unseres Wissens Unverfügbares gibt und nur der Glaube Antworten gibt auf die ersten und letzten Fragen, die für den Sinn unseres Lebens wichtiger sind als alles Wissbare.
(Prof. Dr. Hans-Joachim Bodenhöfer)
Einer der Grundsätze der Protestant:innen ist die Aussage, „kritischer Glaube weite den Horizont“. Querulantentum, vielleicht sogar Kleinkariertheit und Engstirnigkeit sind damit aber nicht gemeint. Hier geht es um Größeres, um einen tieferen Sinn. Hier geht es nicht darum, was Evangelische nicht glauben oder tun, sondern darum, zu verstehen, warum sich die reformierte Kirche immer wieder weiter entwickelt.
Evangelisch von A bis Z
Die Äußerung des kritischen Glaubens.
In der Evangelischen Kirche ist das Wort (Gottes) ein zentrales Element. Die unantastbare Richtschnur des Protestantismus ist damit die Bibel. Diese wird möglichst originalgetreu übersetzt. Nicht in der Bibel belegbare Forderungen werden daher abgelehnt. Konsequenterweise zieht sich diese Haltung durch alle Lebensbereiche. Sie ist damit der Ursprung von allem.
Luther schenkte die erste Übersetzung.
Martin Luther war ein frommer Mönch. Er war mit den damaligen Zuständen in seiner Kirche, beispielsweise dem Ablasshandel* und vielem anderen, nicht einverstanden. Er hätte die Möglichkeit gehabt zu schweigen und alles hinzunehmen, das aber widerstrebte ihm. Nicht zuletzt führte sein brennender Wunsch nach Veränderung zur Spaltung der Kirche. Eine neue Glaubensgemeinschaft entwickelte sich: die lutherische Kirche.
Zentral förderte Martin Luther die Frohbotschaft des Evangeliums und die direkte Beziehung von Gott zu jedem einzelnen Menschen. Mit Luther änderte sich Vieles: Gottesdienste wurden in Deutsch gehalten, sodass jeder Mensch das Gesagte auch verstehen konnte. Er war verantwortlich dafür, dass die Bibel ins Deutsche übersetzt wurde, womit auch der einfache Bürger/die einfache Bürgerin im „Buch der Bücher“ lesen konnte.
Das Wissen fördern.
Die Evangelische Kirche ist dem von Martin Luther Grundgelegten zutiefst verpflichtet. Jeder Mensch soll die Bibel als seine eigene Richtschnur kennen lernen können. In seinem Ursprung hat der Protestantismus somit traditionell eine größere Nähe zur Aufklärung als das katholische Christentum. Nach bis heute geltender evangelischer Lehre ist die heilige Schrift selbsterklärend und deshalb allein die Schrift verbindlich für alle Fragen des Glaubens. In den letzten Jahren kehrt dabei das Bedürfnis wieder, aufgeklärtes Bewusstsein und gelebte Religion als miteinander verknüpft und bereichernd zu denken.
Mitten im Dasein.
In einer interessanten Spannung hierzu stehen auch die neuen Traditionen, die sich in den einzelnen evangelischen Konfessionen herausgebildet haben. So werden die aktuellen politischen Strukturen und Verhältnisse in ihrer jeweiligen Zeit gespiegelt und ständig neu hinterfragt, zeitgenössische Ideen und Tendenzen werden in aller Offenheit betrachtet, und nicht zuletzt sieht die Evangelische Kirche ihren Stellenwert darin, dass sie bei den Menschen ankommen muss, um ihre Geltung immer wieder neu unter Beweis zu stellen. Jeder Mensch, der dem Wissen um den Glauben nachstrebt, der seine eigene Persönlichkeit in Fragen des Glaubens sucht, findet in der Evangelischen Kirche einen Platz als willkommener Suchender.
*Ablasshandel:
Martin Luther war mit dem sogenannten Ablasshandel nicht einverstanden. Dieser sah vor, dass Menschen, die Angst vor dem strafenden Gott, dem Fegefeuer hatten, einen Ablassbrief von der Kirche kaufen konnten. Bis zu einem Monatslohn musste der geplagte Mensch dafür zahlen. Martin Luther beklagte, dass der Mensch sich dadurch nicht zur „Umkehr“ motiviert sah und schrieb 1517 einen diesbezüglichen, unbeachteten Brief an seinen zuständigen Bischof.